„Mayday, mayday, mayday…“ – in einem blechernen Ton schallte das heute Morgen durch die Räume und hat mich geweckt. Letzteres hätte eigentlich mein kleiner neuer Reisewecker übernehmen sollen, den ich auch schön neben mir aufgebaut und eingestellt hatte, allerdings nicht angeschaltet. Er ist also entlastet.
Durch den Alarm geweckt zu werden war ja auch viel spannender. Solcherart in meinem Orientierungsprozess, der heute Morgen auch unter normalen Umständen sicher etwas schwierig ausgefallen wäre, etwas überrumpelt, dauerte es eine Weile, bis mein zeit- und ortsverwirrtes Hirn die Durchsage und trappelnden Schritte als Alarm wahrnahm. Gerade, als ich mich entsprechend verhalten wollte, hörte ich ein spanisch akzentuiertes „Oh, it’s over now“ und der Ton war aus. Wahrscheinlich hat der Hühnchen/Grüne Bohnenwok, den es heute zum Frühstück gab, zu stark gequalmt. Wie auch immer, ich war wach.
Ich habe ein feines Zimmer, das für hiesige Verhältnisse sicherlich Luxus ist (späterer Nachtrag: ganz unbeschreiblicher Luxus sogar). Es gibt eine Klimaanlage, die ich per Fernsteuerung selbst steuern kann. Das ist wirklich hilfreich, denn vor einer nachts laufenden Klimaanlage hatte ich schon ziemlich bammel. Das Zimmer ist gefliest, hat einen Tisch (etwas wackelig), einen Schrank, zwei Nachtkästchen und ein Bett.
Am Fenster gibt es ein Fliegengitter – das hilft auch, wie ich gemerkt habe, als ich es beim Schließen des Fensters aus Versehen auf die falsche Seite schob. Da hat mich eine Horde von Stechmücken überfallen, die locker mal doppelt so groß sind wie unsere europäischen. Die Vorstellung, von denen gestochen zu werden, verband ich irgendwie spontan mit dem Blutabnehmen beim Arzt. Da habe ich mir in diesem Fall also noch ein abendliches Jagdspektakel gegönnt.
Nach dem erwähnten rauchenden Frühstück wollte ich Wasser kaufen gehen und war gerade dabei, mich an eine kleine Gruppe Basken anzuhängen, die ebenfalls hier ihren Sommer verbringen und den gleichen Plan hatten (es grüßt der spanische Akzent vom Morgen). Kurz vorm Abmarsch nach Wudangshan (wir sind hier etwa 4 Kilometer außerhalb der Stadt) fing mich allerdings Maggie ab, sammelte auch noch zwei chinesische Neuankömmlinge ein und und bot uns an, uns zu einer Schneiderei zu bringen, wo wir uns Trainingsklamotten machen lassen könnten. Die Schule hat einen Deal mit der Schneiderin und so werden wir schon übermorgen stolze Besitzer maßgeschneiderter Kungfuanzüge aus bestem dünnen Leinen für einen Superpreis haben. So klingt es zumindest, wenn ich die Vetternwirtschaft mal positiv umschreibe.
Wasser und Obst habe ich mir dann auch noch gekauft, in einem Supermarkt der eher einer riesigen Markthalle gleicht. Es gibt viele offene Waren und überall Lautsprecher und sogar Megaphone, die die Produkte lautstark preisen. Denke ich zumindest mal.
Zurück wie hin sind wir mit einer Art Taxi gefahren: ein umgebautes Mofa, das jetzt eine kleine, klapprige Kabine um sich herum mitschleift, ähnlich wie ein Tuktuk. Chinesen können darin auch locker zu fünft sitzen, wir haben es mit Maggie immerhin auf drei gebracht aber ich würde sagen, das arme Mofa hat seine Tagesleistung damit erbracht. Die Dinger sind der totale Eigenbau, klappern und wackeln überall, den Asphalt kann man auch an mehreren Stellen bequem durch den "Boden" hindurch betrachten. Eine Fahrt kostet 1Yuan, das sind zehn Cent pro Person und die Dinger scheinen das allgegenwärtige, probate Mittel der Fortbewegung zu sein. Unser erstes war nach 50 Metern leider ohne Sprit, sind wir halt umgestiegen. Von Maggie habe ich mir sowohl den Supermarkt in der Stadt als auch den Namen unserer Schule in chinesischen Zeichen auf einen Zettel schreiben lassen. Damit sollte also eine selbstbestimmte Nutzung dieser Mofataxis möglich sein. Das werde ich wohl heute auch zum zweiten Mal gleich ausprobieren, denn Klopapier ist hier Privatware und da habe ich nun leider keines. Späterer Nachtrag: klar, wie ja auch eine "Toilette" für hier absolut unüblich ist. Deshalb fristet das Ding ein schwieriges Leben: Der 'Oberbau' wird als 'western toilet' beworben, der nicht sichtbare Teil der Installation ist allerdings alles andere als 'western'. Und da nun die paar anwesenden Ausländer von 'western' ausgehen und die Chinesen selber wohl zum Thema "spezielles Klopapier" ohnehin nicht so den Zugang haben... ist die arme Schüssel jeden zweiten Tag hoffnungslos verstopft).
Jetzt bemühe ich mich mal um einen freien Slot in der Dusch-Lotterie. Es gibt nur eine Dusche im Haus und in der wurde vorhin noch gebastelt. Hier klebt und pappt man fürchterlich, aber wahrscheinlich ist das so unumgänglich, dass die Chinesen, anstatt dadurch mehr zu duschen, es - sinnvollerweise? - lieber gleich sein lassen. Naja, in diesem Moment fühle ich mich da sehr europäisch und werde jetzt mal mein Glück versuchen.
Morgen früh um zwanzig nach fünf geht es dann also mit meinem ersten 'Morning Exercise' los. Ich bin schon sehr gespannt und hoffe, die Technik gibt es her, dass ich dann bald davon berichten kann!